
Die Szene aus der heutigen zweiten Lesung ist einprägsam: Paulus ruft den Gemeindeleiter Timótheus auf, an Jesus Christus, den Auferstandenen, zu denken. Dabei befindet sich Paulus im Gefängnis. Er unterstreicht, dass er um Jesu Christi und seines Evangeliums willen im Gefängnis ist. Er leidet um dessentwillen bis hin zu den Fesseln. Obwohl er wie ein Verbrecher gefesselt ist, bleibt das Wort Gottes nicht gefesselt. Das Wort Gottes lässt sich nicht fesseln. Es ist und bleibt glaubwürdig.
Hier stellt sich die Frage auch an uns: Wie weit sind wir bereit Jesus Christus nachzufolgen? Nur solange die Nachfolge bequem ist oder auch in Situationen, die uns mit Verzicht und Leid und sogar mit Freiheitsberaubung um Christi willen treffen? Sind wir bereit im Blick auf Jesus unsere Zone der Bequemlichkeit zu verlassen?
Der Blick wird jedoch vom gefesselten Apostel im Namen Christi stark zum nicht gefesselten Wort Gottes gelenkt. Hier wird die Größe des Wortes Gottes sichtbar. Es lässt sich nicht fesseln. Es bleibt frei und kann auch einen Gefesselten zur inneren Freiheit führen. Man kann auch in der Nachfolge Jesu in schwere Situationen kommen, die nach außen ausweglos erscheinen – wie mit Ketten gefesselt.
Dennoch gibt es ausgerechnet in solchen Situationen einen Ausweg: Das Wort Gottes, das sich nicht fesseln lässt, eröffnet uns den Weg und schenkt uns die Freiheit. Diese Freiheit ist in Tod und Auferstehung Jesu für immer begründet.
Dr. Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck. sonntag@koopredaktion.at