
Andreas Haller
Papst Leo XIV. hat am vergangenen Sonntag Pier Giorgio Frassati (1901–1925) und Carlo Acutis (1991–2006) heiliggesprochen. Acutis ist im deutschsprachigen Raum längst ein Begriff, während Frassati trotz seiner Seligsprechung im Jahr 1990 weniger bekannt blieb. Seine Verehrung reicht jedoch bis in den Bregenzerwald, wo Andreas R. Batlogg, Jesuit und Autor mit Vorarlberger Wurzeln, überraschende Spuren entdeckte.
Ausgangspunkt war ein unscheinbarer Satz in einer Frassati-Biographie aus den 1950er-Jahren: Dort war von einem Bildstock „auf einer Passhöhe des Bregenzerwaldes, gegenüber den Steilwänden der Kanisfluh“ die Rede. Batlogg wurde neugierig. Konnte es wirklich sein, dass ein junger Italiener, der wohl nie in Vorarlberg gewesen war, hier ein Denkmal hatte? Zunächst deutete vieles auf die Schnepfegg hin, eine bekannte Passhöhe zwischen Mellau und Schnepfau. Doch egal, wo er suchte: kein Bildstock, kein Hinweis.
Die entscheidende Spur lieferte schließlich Fridolin Mätzler, ein Schulleiter aus Schnepfau. Mit seiner Familie wanderte er auf einem alten Versorgungsweg von Bezau nach Andelsbuch, genauer: von Bezau-Unterhalden zum Heugut-Vorsäß auf der Bezegg. Dort, zwischen der 13. und 14. Kreuzwegstation, stießen sie auf den gesuchten Bildstock: eine kleine steinerne Anlage mit Tonrelief des jungen Frassati und der Inschrift „Führ uns zu Christus, dem König“. Damit war das Rätsel gelöst: Die „Passhöhe des Bregenzerwaldes“ war nicht die Schnepfegg, sondern die Bezegg – jener historisch bedeutsame Ort, an dem bis 1807 die Landammann-Versammlungen des Bregenzerwaldes stattfanden.
Doch wer hatte den Bildstock errichtet? Auch hier entdeckte Batlogg eine bemerkenswerte Geschichte. Ende der 1930er-Jahre verunglückte Melchior Ritter, ein junger Zimmermann aus Andelsbuch, bei Arbeiten an der Bregenzer Ach schwer und kam ins Sanatorium Mehrerau. Sein Bettnachbar war Eugen Leißing, später Bundesrat und Nazigegner. Während ihrer Genesungszeit erfuhren beide durch Patres der Mehrerau erstmals von Pier Giorgio Frassati – von dessen Einsatz für Arme, seinem mutigen Glauben und seinem frühen Tod.
Tief beeindruckt legten sie ein Gelöbnis ab: Wenn sie wieder gesund würden, wollten sie dem „Patron der Jugend“, wie er später genannt wurde, ein Denkmal setzen. Als Melchior Ritter gesund geworden war, löste er sein Versprechen ein. 1938/39 entstand auf der Bezegg der Bildstock, der bis heute an Frassati erinnert.
So verband sich das Schicksal eines jungen Italieners mit dem eines Vorarlberger Zimmermanns. Der 1901 geborene Frassati stammte aus einer wohlhabenden Turiner Familie. Sein Vater gründete die Tageszeitung La Stampa und wirkte Anfang der 1920er-Jahre als italienischer Botschafter in Berlin. Pier Giorgio begegnete in dieser Zeit dem späteren Jesuiten und Theologen Karl Rahner.
Sein Leben war geprägt vom sozialen Engagement: In Turin kümmerte er sich als Student um die Menschen in den Elendsvierteln. Dabei steckte er sich vermutlich mit Kinderlähmung an, an der er 1925 mit nur 24 Jahren starb. Neben seiner konkreten Sozialarbeit engagierte er sich politisch in katholischen Verbänden, gehörte der Volkspartei an und trat entschieden gegen den Faschismus auf.
Mit der Heiligsprechung dürfte Frassatis Bekanntheit – gerade bei Jüngeren – auch im deutschsprachigen Raum rasch wachsen. Dass seine Verehrung bereits im 20. Jahrhundert den Weg bis auf die Bezegg fand, zeigt, wie sehr er schon damals Menschen beeindruckte.