
Ingmar Jochum
„Lebenswerte Zukunft? So gelingt Veränderung!“ unter diesem Motto fand der Gesellschaftspolitische Stammtisch im WirkRaum in Dornbirn statt. Dieser Impulsvortrag von Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller, Expertin für Nachhaltigkeit/Enkeltauglichkeit, Sozialkapital und Bürgerbeteiligung, handelte von den großen Umbrüchen unserer Zeit und wie der Mensch damit umgehen kann.
Moderatorin Eva-Maria Melk-Schmolly stellte eingangs die Frage: Geschwindigkeit, Klima, Demografie, Technologie, Digitalisierung, Bildung, Wirtschaft, Gesundheit, um nur ein paar Felder zu nennen, verändern sich ständig. Wie soll man da Schritt halten?
Einige Antworten auf diese Frage gab Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller. Der stete Wandel könne als ein Lebensprinzip angesehen werden und wie der Fortschritt gelingen kann, zeige sich, wenn man Kleinkinder beobachtet. Ein Erwachsener würde sagen: „Jetzt bin ich zehnmal hingefallen, ich glaube, ich lasse das mit dem Laufen.“ Doch das Wiederversuchen, ohne aufzugeben führe zum Ziel. Genau diese Zuversicht sei es, die die Überzeugung entstehen lasse, weiterzumachen. „Wir befinden uns in einem Wandlungsprozess“, so die Vortragende. „Die Menschen sind mit systemischen Herausforderungen konfrontiert: Der Klimawandel hängt mit dem Thema Flucht und Migration zusammen, der demografische Wandel fordert das Gesundheitssystem und die Künstliche Intelligenz wird den Bildungs- und Wirtschaftsbereich auf den Kopf stellen.“ Diese Herausforderungen könne man nur gemeinsam meistern. Mit Egoismus komme man da nicht weiter.
Büchel-Kapeller sprach hier vom goldenen Dreieck der Nachhaltigkeit: Umwelt, Wirtschaft und Soziales sollten als Einheit gesehen werden – Stichwort „gelebte Enkeltauglichkeit“. Ziel sei es, daran zu arbeiten, für die kommenden Generationen eine lebenswerte und gestaltbare Welt zu hinterlassen. Die Vortragende brachte als Beispiel die Nahversorgung. Wenn man die Produkte in der Nähe bezieht und nicht bei Onlinehändlern bestellt, entlastet man die Umwelt, weil Verkehrswege und Verpackungsabfall reduziert werden, so unterstützt jede:r einzelne die soziale Situation, denn Geschäfte können in der Nähe auf diese Weise weiterexistieren, die auch die Aufgabe eines Kommunikationstreffpunkts erfüllen. Zudem unterstützt man die Wirtschaft, weil Lehrstellen und Arbeitsplätze in der Region bleiben und damit wiederum den eigenen Wohlstand sichert. Diese gelebte Enkeltauglichkeit wird an vier Faktoren sichtbar: Weitblick, weiterdenken als in Legislaturperioden oder Quartalsgewinnen, Kreisläufe beachten (wenn vieles in den asiatischen Raum verlagert wird, kann es schnell zu Engpässen kommen, wie z.B. bei Medikamenten) und Eigenverantwortung. Die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen sei durchaus legitim aber eben nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen.
Abseits des technologischen Wandels darf man die sozialen Innovationen nicht außer Acht lassen, so Büchel-Kapeller. Hier gehe es um den Erhalt der demokratischen Strukturen und um unsere Freiheit. Denn: der Mensch ist ein soziales Wesen. Und auch angesichts der schier unglaublichen technischen Neuerungen, die bereits umgesetzt werden, sei Pessimismus fehl am Platz. Die alte Welt verschwindet zwar, es entstehe aber auch eine neue, so die Vortragende. Beispielsweise besagt eine Studie des World Economic Forums, dass 65 Prozent der Kinder, die jetzt in die Schule kommen, Berufe ausüben werden, die es heute noch gar nicht gibt.
Was brauchen wir also für eine lebenswerte Zukunft? Büchel-Kapeller erläuterte hier fünf zentrale Bausteine der Transformation: Es benötigt eine Energie-, Mobilitäts-, Konsum-, Ernährungs- sowie eine Wärme- und Wohnwende. Und auch hier gelte, dass jede:r im Kleinen für sich diese Wege geht, um große Veränderungen mitgestalten zu können. Das gemeinsame Tun steht im Vordergrund. „Wenn nur die materielle Ebene abgedeckt ist, kann der Mensch nicht überleben. Daher sind angesichts der großen Veränderungen, die sozialen Innovationen auch so wichtig. Ebenso die eigene Einstellung. Das Neue nicht als negativ anzusehen, sondern die Chancen, die es in sich birgt.“ Und: Menschen, die Visionen umsetzen wollen, sollten unterstützt werden. Und es funktionieren bereits viele Initiativen, die zukunftsorientiert denken und handeln, gerade auch hier bei uns in Vorarlberg.
„Das Miteinander“ betonte Büchel-Kapeller immer wieder. „Wir waren noch nie so vernetzt, wie wir es heute sind und diese Entwicklung wird noch zunehmen. Und um zu erkennen, dass wir alle im selben Boot sitzen, braucht es Empathie. Der Physiker Stephen Hawking hat einmal gesagt: ,Der größte Fehler der Menschheit, der uns an den Rand bringt sind nicht Umweltkatastrophen sondern mangelnde Empathie‘. Ohne Einfühlungsvermögen interessiert mich auch nicht, wie es mit der Welt weitergeht.“ Wir sollten Mut- statt Wutbürger sein. Ins Tun kommen, selbst aktiv werden und nicht darauf warten, bis es andere tun.
Abschließend ging die Vortragende noch auf die positive Psychologie ein. „Angst und Stress machen uns nachweislich dümmer. Der IQ sinkt, weil ich mich im Stress und in der Wut verenge. Das geht dann auf Kosten der Kreativität, um positiven Lösungen Platz zu schaffen.“ Auch bei großen Problemen helfe ein nächster guter Schritt. Dann befinden wir uns im Lösungsdenken, das wiederum die äußeren Handlungen bestimmt. „Lassen Sie uns mutig die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft angehen. Das Heute fließt über vor Potenzial, das in jedem Menschen steckt, man muss es nur nutzen“, so Büchel-Kapeller.