Wie verliefen die letzten Tage als Direktor?
Titus Spiegel: Wenn man 35 Jahre mehr oder weniger fast jeden Tag im Marianum ein- und ausgegangen ist, denkt man auch in den letzten Tagen nicht daran, dass irgendetwas jetzt anders werden wird. Es gab immer was zu tun, einzig die Verabschiedungen beim Personal, der Diözesanleitung und auch in der Schule bei den Kollegen als auch beim Landesschulrat häuften sich. Da fühlt man sich zum einen geehrt und zum anderen spürt man, da geht was zu Ende.
Gehen Sie mit Freude in Pension oder ist auch eine Portion Wehmut dabei?
Spiegel: Alles geht einmal zu Ende und das ist eigentlich auch gut so. Natürlich erinnert man sich an viele Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern, an die Herausforderungen in den Jahren, in denen man nicht genau wusste, was mit dem Marianum geschieht. Ich habe, Gott sei Dank sehr viel Vertrauen geschenkt bekommen und konnte meine Ideen für ein Marianum der Zukunft umsetzen, das ist und war nicht selbstverständlich. Da ich überzeugt bin, dass wir auf dem richtigen Weg sind und die Diözese diesen Weg auch weiter beschreiten möchte, kann ich mit Freude in Pension gehen. Zudem fühle ich mich in der Rolle des Opas sehr wohl und kann nun etwas mehr meine Familie unterstützen und das Zusammensein genießen.
In welchem Jahr wurden Sie Direktor und können Sie sich an Ihre Anfangszeit erinnern?
Spiegel: Das ging sehr schnell. Als ich mich im Jahr 1990 bei Bischof Benno (er wurde damals als junger Priester gerade zum Rektor des Marianums ernannt) um die Stelle eines Präfekten (Erzieher) beworben habe (ja ich habe mich damals in kurzen Hosen bei ihm im Garten in Langen getroffen und er hat etwas verdutzt geschaut, wer sich hier so leger um eine Anstellung bewirbt), hat er mich ein halbes Jahr später zum Pädagogischen Direktor vorgeschlagen. Drei Jahre später, als er selbst zum Generalvikar ernannt wurde, wurde mir die Gesamtleitung übergeben. Das war anfangs nicht ganz einfach, waren doch meine Mitarbeiter durchwegs alle viel älter als ich. Da kommt nun ein junger Mann mit neuen Ideen und will alteingesessene Strukturen verändern, da gab es viel Skepsis. Ich hatte das große Glück, dass ich einen sehr guten Draht zu den Schülern hatte, das gab mir viel Energie und so konnte ich auch die Anfangsschwierigkeiten gut überwinden. Die große Sorge, die mich über Jahrzehnte begleitete, bestand darin, das Haus inhaltlich, pädagogisch, aber vor allem auch wirtschaftlich auf gesunde Beine zu stellen. Die Öffnung des Hauses für alle Schultypen, später dann auch für Lehrlinge und seit einigen Jahren auch für Mädchen waren entscheidende Schritte.
Wie hat sich die Schule ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten verändert?
Spiegel: Die Ablenkung durch die sozialen Medien raubt den Schülerinnen und Schülern sehr viel Energie, das führt dann zu einer Überlastung und auch dazu, dass Schule für die Kinder schwierig zu bewältigen wird. Es beeinflusst das gesamte Schulleben, den Unterricht in den Klassen und das soziale Gefüge im gesamten. Die Vermittlung der Lerninhalte wird dadurch immer weiter in den Hintergrund gedrängt, obgleich es doch so wichtig wäre, unseren Kindern viel beizubringen, denn Bildung ist für unsere Kinder enorm wichtig. Gleichzeitig muss aber auch wieder mehr Bewusstsein geschaffen werden, dass Schule auch mit Anstrengung, Verzicht und Selbstorganisation zusammenhängt und trotzdem muss Schule immer ein Ort sein, wo die Kinder gerne und angstfrei hingehen. Das eine darf das andere nicht ausschließen.
Gibt es Höhepunkte, auf die Sie besonders gerne zurückblicken?
Spiegel: Die schönsten Erfahrungen sind wohl die, wenn glückliche Schüler die Matura geschafft haben und für ihre Arbeit und Mühen während der Zeit im Internat, belohnt wurden oder wenn die Kleinen vom Kindergarten lachend und unbeschwert durch die Gänge des Hauses laufen oder im Garten spielen. Wenn man dazu einen kleinen Beitrag geleistet hat, macht das einen sehr glücklich. Erfreulich ist auch die Entwicklung, die das Marianum im gesamten gemacht hat. Heute ist es ein Bildungscampus, in dem vom einjährigen Kind bis zum jungen Studenten eine Einrichtung geschaffen wurde, die den Kindern, Schülerinnen und Schülern bis zum jungen Erwachsenen zugutekommt. Dass sich die Kirche dieser enorm wichtigen Aufgabe annimmt, schätzen alle, die im Haus aus- und eingehen. Selbst wenn sie mit der Kirche nicht so eng verbunden sind.
Ingmar Jochum