
Vielerorts haben wir das Kreuz vor Augen: auf dem Kirchturm, im Kirchenraum, in der Wohnung, in öffentlichen Gebäuden, auf Straßen, Wegen und Berggipfeln, auf dem Friedhof. Menschen zeigen mit dem Kreuz ihr religiöses Bekenntnis oder betonen damit ihr kirchliches Amt, verwenden es als Schmuckstück oder als Andenken. So kann das Kreuz eine religiöse und kulturelle Stellungnahme sein, oft wird es aber auch zur bloßen Dekoration oder gar zur Machtdemonstration.
Am Ursprung des Christentums ist das Kreuz aber ein Ort der Erniedrigung und der Schwäche. Die Christen der ersten Jahrhunderte scheuten sich, Jesus am Kreuz darzustellen, viel lieber etwa als guten Hirten.
Heute wird Jesus Christus, auf dem unser Glaube begründet ist, überwiegend an diesem Ort der Erniedrigung in dieser Schwäche dargestellt. Unser Glaube ist keine Heldenerzählung, keine Siegerstory. Wenn das Evangelium vom himmlischen „Hinaufsteigen“ und „Herabsteigen“ spricht, so ist von einem die Rede, der aufs Kreuz hinaufsteigen musste und nicht herabsteigen konnte, von einem, der in der Schwäche endete.
Damit hätte für Jesu Freunde eigentlich alles aus sein können, aller Sinn, alles Zutrauen zum Leben, alle Hoffnung auf ein „Reich“, das er verkündete und versprach.
Und doch machten diese Freunde nach dem Horror des Kreuzes Erfahrungen, die nach dem Ende in Schwäche eine Wandlung versprachen. Von diesen Erfahrungen lebt unser Glaube bis heute. Mit ihm sehen wir das Kreuz nicht als Ort des Gerichts, sondern als Ort der Wandlung: der Gekreuzigte ist „nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“.
Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee. sonntag@koopredaktion.at