
Professor an der Universität Salzburg, Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen
Solche Sätze haben wir alle schon gehört, und manchmal fragen wir uns selbst, ob die „Institution Kirche“ wirklich nötig ist oder ob wir nicht auch ohne sie ganz gut religiös oder spirituell leben können.
Zum einen ist dazu ganz einfach zu sagen: An einer Institution, die 2000 Jahre Tradition für sich in Anspruch nimmt, wird sich immer etwas Kritikwürdiges finden lassen, sei es in der Vergangenheit, sei es in der Gegenwart. Eine Institution, die nach so langer Zeit sünden- und fehlerfrei wäre, würden wir vergeblich suchen – doch dies soll keine Entschuldigung sein für all das, was im Leben der Kirche die Botschaft des Evangeliums verdunkelt. Zum anderen aber: Könnte es vielleicht sein, dass wir den Zusammenhang von Glaube und Kirche verkehrt sehen – als bräuchte es zuerst den Sanktus einer Institution, bevor wir den Glauben leben können? Ist es nicht, wie viele biblische Zeugnisse zeigen, genau umgekehrt: die Kirche entsteht, wenn Menschen ihren Glauben an den Auferstandenen leben und miteinander teilen? Ist es nicht typisch für die Praxis des christlichen Glaubens, dass er Gemeinden hervorbringt? Es ist ungemein spannend, zum Beispiel in der Apostelgeschichte zu lesen, wie zu den Gemeinden der Christusgläubigen immer wieder neue Menschen hinzukommen. An Christus, den Auferstandenen zu glauben, heißt offenbar nicht, eine Privatspiritualität zu pflegen oder sich in einen elitären Kreis zurückzuziehen, sondern sich zu vernetzen, Leben und Glauben zu teilen und zum Wachstum von Gemeinden beizutragen. Kirche ist also nicht die Bedingung des Glaubens, sondern seine Folge; Glaube baut Gemeinde auf – und führt dazu, andere Menschen anzusprechen, einzuladen, aufzunehmen.
Möglich macht das, wie das Konzil von Nicäa im dritten Teil seines Bekenntnisses betont, Gottes lebendig machender Geist, „der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird“. Gottes Heiliger Geist ist keine anonyme Energie, sondern ein Du, das uns anspricht, aufbaut und vernetzt. Dieser Geist spricht auch durch Propheten, weiß Nicäa, und durch die Gemeinschaft der Kirche, die vielfältig und einheitsstiftend, umfassend und konkret, gefährdet und gehalten, traditionsverbunden und zukunftsorientiert ist. Wir hören, was der Geist den Gemeinden sagt, und wir vernehmen, was Gottes Geist durch diese Gemeinden sagt – durch diese in aller Pluralität zutiefst verbundene (eine), trotz aller Schuld nicht im Stich gelassene (heilige), auf die gesamte Welt und den ganzen Menschen bezogene (katholische) und sich einer begeisterten Glaubensweitergabe verdankende (apostolische) Kirche. Es ist eine durchaus unbescheidene Vorstellung von Kirche, die uns das Glaubensbekenntnis von Nicäa zumutet; die „Macht“ und Lebensfülle der kirchlichen Gemeinschaft aber verdankt sich jenem Geist, der Gemeinden aufbaut und Menschen aus unterschiedlichen Sprachen und Völkern vernetzt. Trotz aller Fehler, großer Schuld und vieler Unzulänglichkeiten lässt uns Gottes Geist nicht im Stich – und inspiriert, bewegt und verbindet uns stets aufs Neue. Diese pfingstliche Erfahrung ist heute genauso lebendig und erfahrbar wie vor 2000 Jahren in Jerusalem. Der Geist weht, wo er will – und lässt kirchliche Gemeinden wachsen, über die wir nur staunen können.
Professor an der Universität Salzburg, Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen
Aus der KirchenBlatt-Ausgabe Nr. 22/23 vom 5./12. Juni 2025.
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