
Ängstlich fragend kommt ein 18-jähriger Mann zu mir. Nicht lange vorher ist sein Vater an einer schweren Krankheit gestorben. „Kann es wirklich sein, dass mein Vater nicht gerettet ist?“ Sehr beklommen stellt der junge Mann mir diese Frage, ich merke, dass es ihm da um alles geht. So macht seine Frage auch mich beklommen, ich muss nachfragen. Sein älterer Bruder ist Mitglied einer fundamentalistischen Gruppe. Und der hat zu seinem jüngeren Bruder nach dem Tod des Vaters gesagt: „Unser Vater war nicht auf dem richtigen Weg, er ist nicht gerettet.“ Da solle der junge Mann nun also akzeptieren, dass das Leben seines Vaters ins Nichts und ins Verderben gegangen ist? Weil er angeblich „nicht auf dem richtigen Weg war“? Und deshalb also sei er „nicht gerettet“? Er war ein Katholik, der nur an hohen Feiertagen in die Kirche kam, sein Glaube war ihm aber nicht egal, er war ein Suchender. Ich würde mir nicht zutrauen, über seine Gläubigkeit ein Urteil zu fällen.
Wer ist gerettet?
Das Evangelium stellt radikale Fragen: Wer ist gerettet? Wer hat Platz im Reich Gottes? Ich erinnere mich an einen befreundeten Seelsorger, der einmal zu mir sagte: „Wir werden uns einmal sehr wundern, wo und bei wem das Reich Gottes zu finden ist!“ Wir können uns also nicht so sicher sein, dass wir das Reich Gottes oder unseren Platz im Reich Gottes schon gepachtet hätten. Sehr schnell ist man bei religiöser Arroganz angelangt, wenn man glaubt, behaupten zu können: „Wir sind drinnen, ihr seid draußen.“ Denn: „Sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.“
Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee. sonntag@koopredaktion.at